Werkstattgespräch
Mittwoch, 19.11.2003, 22:30 Uhr,
Odeon Kino (Severinstr. 81, 50678 Köln)
Das Werkstattgespräch stellt
in Kooperation mit der European Film Academy (EFA) ein herausragendes
europäisches Regie/Editoren-Gespann vor und fokussiert
die Charakteristika dessen künstlerischer Zusammenarbeit.
So sprach z.B. 2001 der französische Editor Hervé
Schneid über seine Arbeit an Jean-Pierre Jeunets Die
fabelhafte Welt der Amélie, während 2002 Roberto
Perpignani und Regisseur Michael Radford Einblicke in ihre
Zusammenarbeit am Oscar-Gewinner Der Postmann gaben. In diesem
Jahr widmet sich das Werkstattgespräch zwei bedeutenden
Kreativen des osteuropäischen Films: Editor Andrija
Zafranovic und Regisseur Damjan
Kozole.
Der gebürtige Kroate Andrija
Zafranovic wirkt seit Mitte der 70er Jahre als Editor an einigen
der einflußreichsten Filmen Osteuropas mit. In knapp
zehn Länder führt ihn sein Arbeit, seine Werke sind
regelmäßige Gäste auf internationalen Festivals.
So verbindet ihn eine enge künstlerische Zusammenarbeit
mit Emir Kusturica, zuletzt 1993 durch die Realisierung von
Arizona Dream. Damjan Kozole seinerseits gilt als erfolgreichster
Regisseur Sloweniens, der 1987 als jüngster Filmemacher
des ehemaligen Jugoslawiens mit seinem Debüt The Fatal
Telefon Call einen der ersten unabhängigen Filme der
Republik drehte. Mit Rezervni Deli (Spare Parts) schufen sie
gemeinsam einen veritablen Kritiker- und Publikumserfolg,
der weltweit auf über 30 Festivals lief.
Nach der Vorführung von Rezervni
Deli werden beide im Gespräch das Modell ihres kreativen
Zusammenspiels erläutern, werden Aufschluß geben
über Arbeitsweisen osteuropäischen Postproduzierens
und formale und organisatorische Konstanten ihres Teamworks
aufzeigen.
Der Film: Rezervni Deli (Spare Parts)
Mittwoch, 19.11.2003, 21:00 Uhr,
Odeon Kino (Severinstr. 81, 50678 Köln)
Slowenien 2002. R,B: Damjan Kozole. K: Radislav Jovanov.
S: Andrija Zafranovic. M: Igor Leonardi. P: Emotionfilm, RTV
Slovenia. D: Peter Musevski, Aljosa Kovacic, Primoz Petkovsek,
Valter Dragan, Aleksandra Balmazovic u.a. 87 Min.
Das zentrale Symbol von
Rezervni Deli bildet das Oval einer schmuddeligen Motorrad-Rennbahn:
Es gibt keinen Ausweg, nirgends, nur das ewige Fahren im Kreis.
Hier trifft sich der erfahrene Schlepper und Exrennfahrer
Ludvik mit dem jungen Rudi, um ihn in seinen neuen Job einzuweisen,
den Menschenschmuggel.
Und diese illegalen Flüchtlingstransporte
von Slowenien nach Italien werden mit aller Brutalität
gezeigt: Ein mazedonisches Mädchen schläft mit sämtichen
Schleppern, um Antibiotika für ihren Freund zu bekommen.
Er verläßt sie angewidert, sie begeht im Grenzgebiet
Selbstmord. Eine afrikanische Familie erstickt im Kofferraum
eines Wagens. Ein Albaner bietet Geld, damit jemand endlich
das tote Baby einer Mitflüchtenden entsorgt. Wenn die
Mutter das Kind im Niemandsland begräbt, sieht man das
gelobte Land Italien: “Drüben werden sie zu Huren
oder verkaufen ihre Organe”, läßt Ludvik
Rudi wissen.
Doch auch für die Schlepper
gibt es keinen Ausweg. Ludvik wird von Vergangenheit und Krankheit
eingeholt, Rudi büßt Unschuld und Seele ein. Aus
seiner Perspektive erzählt der Film und seine Entwicklung
erleben wir: Ist der Junge anfangs noch geschockt von der
Skrupellosigkeit der Schlepper, paßt er sich den Anforderungen
seines neuen “Berufs” bald überraschend problemlos
an. Am Ende rekrutiert er einen neuen Schlepper – auf
der Rennbahn.
Kozole läßt
es zwar nicht an Deutlichkeit fehlen, was die Ausbeutung der
Flüchtlinge betrifft, im Mittelpunkt des Films steht
letztlich jedoch die nuancenreiche Beziehung der beiden Männer
und ein ungewöhnlicher Blick auf die “Höllenhunde
des Menschenschmuggels”, die Täter. Rezervni Deli
gewinnt durch seine unaufdringliche Haltung: Er will weniger
betroffen machen, als daß er die zynischen Rechtfertigungen
seiner Figuren mitverfolgt.
|